May Ayim (1960-1996) war eine deutsche Dichterin, Pädagogin und Aktivistin der afrodeutschen Bewegung.
Thema der Zitate: Rassismus im deutschen Kontext
„Der Zeitstrahl ‘Rassismus in Deutschland‘ beschäftigt sich mit der Geschichte und Gegenwart von Rassismen im deutschen Kontext.
Rassismus wird in Deutschland oft sehr eng gefasst (z.B. offene Gewalt). Rassismus ist aber darüber hinaus ein gesellschaftliches Machtverhältnis, d.h. er beeinflusst gesellschaftliche Strukturen und hat weitreichende Auswirkungen auf Betroffene. Rassismus benachteiligt nicht-weiße Gesellschaftsmitglieder, also Menschen mit Migrationsgeschichte, People of Color, Schwarze sowie Jüdinnen und Juden, auf persönlicher, struktureller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene. Rassismus prägt unser Wissen, unser Verhalten und die Art und Weise, wie wir unsere Welt betrachten.
Folgende Fragen werden im Zeitstrahl behandelt und sollen zum Denken anregen:
*Welche Rolle spielte Weißsein in der Rassifizierung von nicht-weißen Menschen in Deutschland? Wie wirkte sich Rassismus auf von Rassismus betroffene Menschen aus?
*Welche Kontinuitäten, Differenzen, Überschneidungen und Gemeinsamkeiten gibt es historisch gesehen in der Rassifizierung von People of Color, Menschen mit (nicht-europäischer) Migrationsgeschichte, Schwarzen Menschen sowie Jüdinnen und Juden in Deutschland?
*Welche Formen von Widerstand gab es in Deutschland und von wem wurde dieser ausgeübt?“
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OK
(…) weil ich bin in dem Gefühl aufgewachsen, dass ich zwar hier lebe, hier geboren bin, aber dass ich eines Tages hier weggehen muss. Weil die erste Frage ist immer, woher kommen Sie und die zweite ist wann gehen Sie. Wann gehen Sie zurück. Egal, ob dieses zurück existiert oder nicht. Und deutsch kann man eh nicht sein mit einer Schwarzen Hautfarbe.
Richtig!
(…) weil ich bin in dem Gefühl aufgewachsen, dass ich zwar hier lebe, hier geboren bin, aber dass ich eines Tages hier weggehen muss. Weil die erste Frage ist immer, woher kommen Sie und die zweite ist wann gehen Sie. Wann gehen Sie zurück. Egal, ob dieses zurück existiert oder nicht. Und deutsch kann man eh nicht sein mit einer Schwarzen Hautfarbe.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Quelle:
May Ayim, Teil 3, Minute 0:40 – 1:05.
Kontext:
May Ayim beschreibt in dem Dokumentarfilm „Hoffnung im Herz – Mündliche Poesie“ von Maria Binders wie sie mit der selbstermächtigenden Bezeichnung ‘afrodeutsch’ oder ‘Schwarze Deutsche’ rassifizierende Fremdzuschreibungen ablegte, die bis in die späten 1980er Jahre noch durchaus gängig und im Sprachgebrauch sehr selbstverständlich genutzt wurden. Doch stellt sie fest, dass sich auch mit diesen positiveren Entwicklungen kaum etwas an der Situation für Afrodeutsche änderte. Denn auch bis heute herrscht das Bild vor, dass Deutschsein mit Weißsein verbunden ist. Demnach schließt selbst ein Leben über mehrere Generationen in Deutschland, People of Color, Schwarze Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte (diskursiv) immer noch davon aus, Deutsch zu sein. Nicht zuletzt wird auch in der Medienlandschaft und im Diskurs über die ‘Anderen‘ deutlich, wer Deutsch ist und wen es noch zu integrieren gilt.
Zum Weiterlesen:
*May Ayim (1995): schwarz weiss monolog, in: dies.: Blues in Schwarz-weiss, Berlin: Orlanda.
*Katharina Oguntoye, May Ayim & Dagmar Schultz (2016): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin: Orlanda.
*Ismahan Wayah (2017): Wir schreiben Geschichte. Alternative Archive als dekoloniale Praxis. In: glokal e.V. (Hrsg.): Connecting the dots. Lernen aus Geschichte(n) von Unterdrückung und Widerstand, S. 10.
OK
Hier bin ich nicht mehr in meiner Heimat, sondern die haben sie mir in einer ganz bestimmten Weise geklaut. Die ganze Umgebung ist (mir) fremd geworden. Das fängt beim Geruch an und geht bis zur Straße.
Richtig!
Hier bin ich nicht mehr in meiner Heimat, sondern die haben sie mir in einer ganz bestimmten Weise geklaut. Die ganze Umgebung ist (mir) fremd geworden. Das fängt beim Geruch an und geht bis zur Straße.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Heinrich Lummer (1932-2019) war CDU-Politiker und war von 1981-1986 Innensenator des Landes Berlin.
Quelle:
David Clay Large (2002): Berlin. Biographie einer Stadt. STADT_VERLAG, S. 441.
Kontext:
Der ehemalige Innensenator des Landes Berlin, Heinrich Lummer, machte nicht nur durch seine Korruptionsskandale und seine Zuarbeit zum Bundesnachrichtendienst sowie die Einspannung von Rechtsextremist:innen in die CDU auf sich aufmerksam. Lummer ist auch auffällig geworden durch rassistische und antisemitische Äußerungen, in denen er gegen eine ‘Überfremdung’ Deutschlands Stimmung betrieb, wie aus dem Zitat deutlich wird. Diese Diskurse trugen auch dazu bei, dass Kreuzberg unter weißen Deutschen für lange Zeit als kriminell, gefährlich und als Ghetto dargestellt wurde. Gleichzeitig war es für die Bewohner:innen tatsächlich oft eine sichere Umwelt, in der sie sich mit weniger rechten Gefahren konfrontiert sahen. Begriffe wie ‘Türkenkinder’, ‘soziale Verelendung’ und ‘Türkenkolonie‘ wurden ganz selbstverständlich vom Magazin Der Spiegel verwendet. Das Zitat bezieht sich auf den Berliner Stadtteil Kreuzberg der 1980er Jahre, in dem vor der großen Gentrifizierung noch schätzungsweise 30.000 Menschen aus der Türkei lebten und es dadurch den Namen ‘Klein-Istanbul‘ bekam. Kreuzberg wurde mit den New Yorker Stadtteilen Bronx, Harlem und Brooklyn verglichen, die auf ähnliche Weise stigmatisiert und kriminalisiert wurden.
Zum Weiterlesen:
*Iman Attia (2007): Orient- und IslamBilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus, Münster: Unrast.
*Çagrı Kahveci (2017): Migrantische Selbstorganisierung im Kampf gegen Rassismus. Die politische Praxis ausgewählter antirassistischer Gruppen türkeistämmiger Migrant*innen, Münster: Unrast.
OK
Was können wir machen, außer Widerstand zu leisten? (…) Es wird nicht leicht sein, ihre Verbrechen gegen unser Volk zu vergelten, denn jeder unserer Schritte wird auf massive und willkürliche Vergeltung stoßen. (…) Aber das Schicksal unseres Volkes auf dieser Erde steht bereits fest. (…) Wir können entweder mit ihnen sterben oder versuchen, ihren Tod zu rächen. Unsere Rache wird zügel- und erbarmungslos sein müssen.
Richtig!
Was können wir machen, außer Widerstand zu leisten? (…) Es wird nicht leicht sein, ihre Verbrechen gegen unser Volk zu vergelten, denn jeder unserer Schritte wird auf massive und willkürliche Vergeltung stoßen. (…) Aber das Schicksal unseres Volkes auf dieser Erde steht bereits fest. (…) Wir können entweder mit ihnen sterben oder versuchen, ihren Tod zu rächen. Unsere Rache wird zügel- und erbarmungslos sein müssen.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Gusta Dawidsohn-Draenger (1917-1943) kam in Krakau in einer orthodoxen jüdischen Familie zur Welt. In ihrer Jugend schloss sie sich der zionistischen Jugendgruppe Akiva an, für deren Zeitung sie Artikel verfasste und in deren Vorstand sie wirkte. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war sie maßgeblich an der Koordinierung des jüdischen Widerstands gegen die Nazis beteiligt. Gemeinsam mit anderen – unter ihnen ihr Ehemann Shimshon Draenger – schmuggelte sie Waffen, organisierte Verstecke und kämpfte mit Partisan:innen in den umliegenden Wäldern. Im November 1943 wurde sie mit ihrem Ehemann von den Deutschen ermordet. Zwischen Januar und März 1943 hatte sie im Gefängnis auf einer Rolle Toilettenpapier ihre umfangreichen Erinnerungen festgehalten.
Quelle:
Jochen Kast, Bernd Siegler & Peter Zinke (1999): Das Tagebuch der Partisanin Justyna. Jüdischer Widerstand in Krakau. Berlin: Elefanten Press. Die Jahreszahl (1943) bezeichnet das ungefähre Entstehungsdatum des Zitats.
Kontext:
Das vorliegende Zitat, worin Gusta Draenger-Dawidson ihren Mann Shimshon Draenger zitiert, zeugt vom bewaffneten Widerstand gegen die Nazis in Polen. Jüdischer Widerstand gegen die Nazis, oft von Einzelpersonen und kleinen Gruppen getragen, wird in den Geschichtsbüchern selten erwähnt. Auch im Warschauer Ghetto, Auschwitz, Treblinka, Bialystok und Sobibor kam es zu Aufständen und Revolten. Die größte Widerstandsgruppe mit rund 1.200 Mitgliedern war die jüdische Gruppe der Bielski-Partisanen in Weißrussland. Der Widerstands war vielfältig: Er reichte von Flugblättern und Zeitungen über den Betrieb von Theatern und Schulen bis hin zu Lebensmittelschmuggel und Urkundenfälschung. Schätzungsweise 6 Millionen Juden starben während des Zweiten Weltkriegs von 1939 bis 1945 in der Shoah, dem nationalsozialistischen Völkermord.
Zum Weiterlesen:
*Julius H. Schoeps, Dieter Bingen & Gideon Botsch (2016): Jüdischer Widerstand in Europa (1933-1945): Formen und Facetten.
*Wolfgang Benz (2002): Lexikon des Holocaust, München: Ch. Beck.
*Claude Lanzmann (1985): Shoah. Dokumentarfilm.
*Jules Schelvis (2003): Vernichtungslager Sobibór, Münster: Unrast.
OK
Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte.
Richtig!
Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Theo Sommer (geb. 1930) ist ein deutscher Journalist, u.a. war er Chefredakteur und Herausgeber der Wochenzeitung Die ZEIT.
Quelle:
Die ZEIT, 09.05.2017.
Kontext:
Der Begriff „Leitkultur“ wurde erstmals 1998 von Bassam Tibi, Professor für Internationale Beziehungen, benutzt. 2000 griff Theo Sommer, Herausgeber der Zeitung „Die ZEIT“, diesen Begriff auf und forderte von Menschen mit Migrationsgeschichte, People of Color, Schwarzen und Jüd:innen, sich zu assimilieren (anzupassen) und einer deutschen Leitkultur zu folgen, die an sich nicht klar definiert ist. Der Begriff wurde immer wieder herangezogen, um Stimmung vor Wahlkämpfen zu machen, wie zuletzt im Jahr 2000 von Friedrich Merz, dem heutigen CDU-Vorsitzenden. Diese Äußerungen verstärkten vor allem ein Überlegenheitsgefühl manch weißer Deutscher und stellten vor allem als muslimisch markierte Menschen als rückständig, gewaltvoll und frauenverachtend dar. Der Begriff Leitkultur stellt sich so als ein Sammelsurium rassistischer Ideologien dar, wie sie zum Beispiel auch von der AfD in ihrem Parteiprogramm aufgegriffen werden, um einen Gegenbegriff zur Ideologie des ‚Mulitkulturalismus‘ darzustellen.
Zum Weiterlesen:
*Tupoka Ogette (2017): Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen, Münster: Unrast.
*Noah Sow (2009): Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. München: Goldmann.
*Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai & Sheila Mysorekar (2016): re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster: Unrast.
OK
Ich hörte schon im Kindergarten Weiße zu mir N**** sagen
Die Klischees nicht hinterfragen, jetzt Brüder niederschlagen
Wir fordern mehr als gleiche Rechte, wir wollen endlich Frieden haben
Neue Ziele haben und nicht das Image von Dealern haben
Im Landtag diskutiert man über einen Antrag
Und währenddessen plant der nächste Nazi seinen Anschlag
Die Schandtat wird bedauert, doch was ich mich frag:
„Warum steht schon wieder ’ne schwarze Familie am Grab?“
Richtig!
Ich hörte schon im Kindergarten Weiße zu mir N**** sagen
Die Klischees nicht hinterfragen, jetzt Brüder niederschlagen
Wir fordern mehr als gleiche Rechte, wir wollen endlich Frieden haben
Neue Ziele haben und nicht das Image von Dealern haben
Im Landtag diskutiert man über einen Antrag
Und währenddessen plant der nächste Nazi seinen Anschlag
Die Schandtat wird bedauert, doch was ich mich frag:
„Warum steht schon wieder ’ne schwarze Familie am Grab?“
Jahr:
Autor*inneninfo:
Brothers Keepers ist ein Zusammenschluss von überwiegend Schwarzen Musikern, die sich aufgrund des steigenden Rassismus in Deutschland zusammengeschlossen haben, um auf die schwierige, teils lebensbedrohliche Situation von Menschen mit Migrationsgeschichte, Schwarzen und People of Color aufmerksam zu machen. Der Text stammt aus dem Lied „Adriano (Letzte Warnung)“, der Teil des Zitats wird von Samy Deluxe und D-Flame gerappt.
Quelle:
Brothers Keepers (2001): Adriano (Letzte Warnung).
Kontext:
In dem Zusammenschluss hauptsächlich Schwarzer Musiker:innen aus Deutschland, Brothers Keepers, besingt die Band in ihrem Song ‚Adriano‘ den Mord an Alberto Adriano vom 5. Juni 2000. Adriano Alberto, Vater von drei Kindern, wurde von drei Nazis auf brutale Weise zusammengeschlagen und erlag wenige Tage später seinen Verletzungen. Brothers Keepers wollten mit diesem Lied auch auf den zunehmenden Rassismus aufmerksam machen, der vor allem nach dem Fall der Mauer einen deutlichen Anstieg verzeichnen ließ. Kritik ging auch in Richtung Politik, dem mangelnden Interesse an Rassismus und an den von Rassismus betroffenen Menschen. Dieses Lied wird auch als eine Widerstandsform und Ansage von selbstorganisierten Schwarzen Musikern, die den Rassismus in Deutschland nicht mehr länger hinnehmen wollen, verstanden.
Zum Weiterlesen:
*Advanced Chemistry (1992): Fremd im eigenen Land.
*Samy Deluxe (2001): Weck mich auf.
*SXTN (2016): Ich bin schwarz.
*Ah Nice (2016): Ich bin Schwarz.
OK
Witbooi an Leutwein: (…) Daß ich dem deutschen Kaiser nicht unterstellt sein will, das ist doch keine Sünde, Schuld oder Ehrlosigkeit, die Sie berechtigte, die Todesstrafe gegen mich auszusprechen. Ich bitte Sie nochmals, lieber Freund, (…) greifen Sie mich nicht an und lassen Sie mich in Frieden. Leutwein an Witbooi: Daß Du Dich dem Deutschen Reich nicht unterwerfen willst, ist keine Sünde und keine Schuld, aber es ist gefährlich für den Bestand des deutschen Schutzgebietes. Also (…) sind alle weiteren Briefe, in denen Du mir Deine Unterwerfung nicht anbietest, nutzlos.
Richtig!
Witbooi an Leutwein: (…) Daß ich dem deutschen Kaiser nicht unterstellt sein will, das ist doch keine Sünde, Schuld oder Ehrlosigkeit, die Sie berechtigte, die Todesstrafe gegen mich auszusprechen. Ich bitte Sie nochmals, lieber Freund, (…) greifen Sie mich nicht an und lassen Sie mich in Frieden. Leutwein an Witbooi: Daß Du Dich dem Deutschen Reich nicht unterwerfen willst, ist keine Sünde und keine Schuld, aber es ist gefährlich für den Bestand des deutschen Schutzgebietes. Also (…) sind alle weiteren Briefe, in denen Du mir Deine Unterwerfung nicht anbietest, nutzlos.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Hendrik Witbooi, eigentlich ǃNanseb ǀGabemab (ca. 1830-1905) war seit Ende des Jahres 1888 Kaptein des mit den Nama verwandten Volks der Orlam, der Witbooi.
Quelle:
Der Spiegel 13/1985.
Kontext:
Theodor Gotthilf Leutwein war Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika. Hornkranz (im heutigen Namibia) war kolonial-historisch bekannt für ein Massaker, bei dem 1893 unter Leutweins Kommando 80 Witbooi-Kämpfer getötet sowie 40 Frauen und Kinder verschleppt wurden. Kaptein Hendrik Witbooi wird als afrikanischer Führer gesehen und gefeiert, der als Erster bewaffneten Widerstand gegen die deutschen Kolonialist*innen geleistet hat. Interessant ist in dem Briefwechsel, dass in Leutweins Erwiderungen die Betroffenen der Kolonialisierung mitverantwortlich gemacht werden für die Brutalität, mit der die koloniale Eroberung einherging. Witboois “Hartnäckigkeit” wird von Leutwein als irrationales Verhalten beschrieben, das den Frieden für die deutschen Schutzgebiete gefährde. In diesem Sinn wird Witbooi auch verantwortlich dafür gemacht, dass es zum Krieg und Mord gegen die Witboois kommt. Damals wie auch heute wurde eine Strategie verfolgt, die in Deutschland Wohlstand und Frieden auf Kosten des Globalen Südens wahren will. Auch heute noch wird in den hiesigen Geschichtsbüchern Widerstand gegen Kolonialherrschaft kaum thematisiert und damit nicht wertgeschätzt. Stattdessen wird immer noch das Märchen von gleichberechtigten Handelsbeziehungen und Entdeckungsreisen erzählt. Witbooi starb 1904 im Gefecht gegen die deutsche Kolonialmacht.
Zum Weiterlesen:
*Der Spiegel (1985): „Aufräumen, aufhängen, niederknallen …“. Die Deutschen in ihrer Kolonie Südwestafrika: Rassenhochmut und Völkermord.
*Reinhard Koesseler (2007): Genocide, Apology and Reparation – the linkage between images of the past in Namibia and Germany.
*Horst Gründer (Hrsg., 2006): ‚…da und dort ein junges Deutschland gründen. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
*Sebastian Conrad (2008): Deutsche Kolonialgeschichte. München: C.H. Beck.
OK
Art. 24. Entlang der Küste oder am Fort sollen Sie so viele Sklaven, wie für die Arbeit nötig sind, kaufen (…).
Art. 25. Wenn es mehr Sklaven als benötigt gibt, soll ein Vorrat von ihnen angelegt werden (denn man kann sie mit wenig mehr als mit etwas Reis durchbringen), um sie je nach Bedarf, hierher oder anderswohin zu schicken. (…)
Art. 26. Sobald wir mit den Spaniern oder mit jemand anderem zu einem Abkommen über die Lieferung von Sklaven gelangen können, werden Sie informiert.
Richtig!
Art. 24. Entlang der Küste oder am Fort sollen Sie so viele Sklaven, wie für die Arbeit nötig sind, kaufen (…).
Art. 25. Wenn es mehr Sklaven als benötigt gibt, soll ein Vorrat von ihnen angelegt werden (denn man kann sie mit wenig mehr als mit etwas Reis durchbringen), um sie je nach Bedarf, hierher oder anderswohin zu schicken. (…)
Art. 26. Sobald wir mit den Spaniern oder mit jemand anderem zu einem Abkommen über die Lieferung von Sklaven gelangen können, werden Sie informiert.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Benjamin Raule (1634-1707) war niederländischer Reeder (Seeschiffseigentümer) und Generaldirektor der Brandenburgischen Marine.
Quelle:
Adam Jones (1985): Brandenburg Sources for West African History, Stuttgart: Franz Steiner, S. 75.
Kontext:
Dieses Zitat entstammt der kurfürstlichen Anweisung von Benjamin Raule, einem kurbrandenburgischen Generalmarinedirektor an Joost Van Colster, dem ersten Direktor des Fort Groß-Friedrichsburg, heutiges Pokesu. Sowohl Fort Groß-Friedrichsburg als auch Elmina Castle (beides liegt im heutigen Ghana), wo Colster zuvor mitverantwortlich war für die Versklavung von Menschen, waren Sklavenfestungen. Gebaut 1482, war Elmina Castle der erste europäische Posten für Sklavenhandel in ganz Subsahara-Afrika. Das Zitat verdeutlicht die Entmenschlichung von Schwarzen Menschen und den Umgang mit ihnen als Ware, als Tiere, deren menschliche Bedürfnisse und Würde durch die Ausbeutung völlig missachtet wurden. Auf brutale Weise wurden Menschen aus Westafrika in die Karibik und nach Brasilien verschleppt. Das Zitat verdeutlicht zudem, dass Mord, Versklavung und Zwangsarbeit schon lange vor dem Genozid an den Herero und Nama, von 1904 bis 1908, unter brandenburgischer Herrschaft stattgefunden hatten.
Zum Weiterlesen:
*Christian Kopp/Berlin Postkolonial (2010): „Mission Moriaen“ – Otto Friedrich von der Gröben und Brandenburg-Preußens Handel mit Versklavten.
*Peter Linebaugh & Marcus Rediker (2008): Die vielköpfige Hydra. Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantik. Berlin: Assoziation A.
*Olaudah Equiano (1789): The Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African.
OK
Wenn der Richter sonst allenthalben zu individualisieren hat, d.h. das zu behandelnde Subjekt erst in seiner Eigentümlichkeit erforschen und kennenlernen und danach den Gang seines Verfahrens bestimmen muß, so darf der Eingeweihte, mit dem Wesen der XXX ohne alle Gefahr generalisieren.
Richtig!
Wenn der Richter sonst allenthalben zu individualisieren hat, d.h. das zu behandelnde Subjekt erst in seiner Eigentümlichkeit erforschen und kennenlernen und danach den Gang seines Verfahrens bestimmen muß, so darf der Eingeweihte, mit dem Wesen der XXX ohne alle Gefahr generalisieren.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Aus einer Schrift des fürstlich Reuß-Plauenscher Criminalraths und Vorstand des Fürstlichen Criminalgerichts zu Lobenstein in Thürigen aus dem 19. Jahrhundert.
Quelle:
Klaus Michael Bogdal (2011): Europa erfindet die Zigeuner. Bonn: bpb, S. 279.
Kontext:
Erste dokumentierte Erwähnungen von Sint:ezza und Romn:ja im heutigen Deutschland finden am Anfang des 15. Jahrhunderts statt. Die Vorfahren der heute in Europa lebenden Sint:ezza und Romn:ja migrierten aus dem heutigen Indien und Pakistan. Sehr bald nach ihrer Ankunft entstanden nach anfänglicher Duldung diskriminierende Praktiken und rassifizierende Zuschreibungen gegenüber Sint:ezza und Romn:ja. Sehr früh wird weißen Deutschen ein Freischein ausgesprochen, alle Sint:ezza und Romn:ja mit Kriminellen gleichzusetzen, so dass es z.B. keinerlei Beweise bedarf, wenn Sint:ezza und Romn:ja eines Diebstahls beschuldigt werden. Sie werden per se als Kriminelle behandelt. Trotz Ausgrenzungen, die Sint:ezza und Romn:ja bis heute in Deutschland erleben, waren sie entgegen der NS-Propaganda und bis zur Machtübernahme durch den Reichskanzler Adolf Hitler fester Bestandteil gesellschaftlichen Lebens. Trotz vielfältigen Widerstands vor der Deportation und in den Vernichtungslagern selber fielen schätzungsweise 500.000 Sint:ezza und Romn:ja im Porajmos, dem Genozid, den Deutschen zum Opfer.
Zum Weiterlesen:
*Karola Fings (2016): Sinti und Roma. Geschichte einer Minderheit. München: Ch. Beck.
*Ian Hancock (1987): The Pariah Syndrome. An Account of Gypsy Slavery and Persecution.
*Romani Phen: Romnja Archiv.
*Amoro Foro e.V.: Interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma.
OK
Deutschland ist jetzt als Kolonialmacht zu betrachten und damit in der Lage, eine Konferenz in Berlin vorzuschlagen. Man wird unser Land hören auf diesem wichtigen Kongress, der darauf zielt, die Grundlagen der zukünftigen Regierung für diese weiten Gebiete zu schaffen.
Richtig!
Deutschland ist jetzt als Kolonialmacht zu betrachten und damit in der Lage, eine Konferenz in Berlin vorzuschlagen. Man wird unser Land hören auf diesem wichtigen Kongress, der darauf zielt, die Grundlagen der zukünftigen Regierung für diese weiten Gebiete zu schaffen.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) war ab 1861 König von Preußen und ab 1971 erster deutscher Kaiser.
Quelle:
Christian Kopp/Berlin Postkolonial (2009): „Im Geiste guten gegenseitigen Einvernehmens“ – Bismarcks Berliner Afrika-Konferenz.
Kontext:
Die Berliner Konferenz wurde auf Einladung des Deutschen Reichs und der Französischen Republik am 15. November 1884 einberufen. Diese Konferenz ist historisch einzigartig und skandalös, weil der Kontinent Afrika unter überwiegend westlichen Ländern ohne Partizipation der afrikanischen Bewohner:innen aufgeteilt wurde.
Teilnehmende Länder waren zehn weitere europäische Länder, die USA und das Osmanische Reich. Die Kolonisierung, Enteignung, Versklavung, Ermordung und Zwangsarbeit von Menschen in Afrika begann aber weitaus früher. Diese Kolonialpolitik führte zu einer wesentlichen wirtschaftlichen Bereicherung der benannten Länder, insbesondere Europas. Der heutige Wohlstand und Reichtum Europas ist nicht ohne die bis heute bestehende imperialistische (post-)koloniale Politik zu thematisieren.
Zum Weiterlesen:
*glokal e.V. (2013): „Mit kolonialen Grüßen …“ Bericht und Erzählungen von Auslandsaufenthalten rassismuskritisch betrachtet).
OK
Eine Theorie nach der anderen haben sie an uns ausprobiert. Erst haben sie meine Mutter verdächtigt und ihre Brüder; Mord aus Habgier haben sie unterstellt. Zur Zeit des Mordes war mein Vater auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Erfolges mit seinem Blumengroßhandel. Da hat er richtig gut verdient. Unter der Matratze meiner Eltern waren immer bündelweise Scheine versteckt. Später hieß es deshalb, mein Vater sei vermutlich Dealer gewesen und habe in Holland gar keine Blumen gekauft, sondern Drogen.
Richtig!
Eine Theorie nach der anderen haben sie an uns ausprobiert. Erst haben sie meine Mutter verdächtigt und ihre Brüder; Mord aus Habgier haben sie unterstellt. Zur Zeit des Mordes war mein Vater auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Erfolges mit seinem Blumengroßhandel. Da hat er richtig gut verdient. Unter der Matratze meiner Eltern waren immer bündelweise Scheine versteckt. Später hieß es deshalb, mein Vater sei vermutlich Dealer gewesen und habe in Holland gar keine Blumen gekauft, sondern Drogen.
Jahr:
Autor*inneninfo:
Semiya Şimşek (geb. 1986) ist Pädagogin und die Tochter des von dem NSU als ersten ermordeten Enver Şimşek. Semiya Şimşek ist eine wichtige Stimme der Opferangehörigen geworden. In ihrem Buch „Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater“ arbeitet sie ihre Erlebnisse über den Mord an ihrem Vater auf. Semiya Şimşek hat Deutschland verlassen und lebt mittlerweile in der Türkei.
Quelle:
Süddeutsche Magazin, 10/2013.
Kontext:
Die neonazistische und terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ermordete zwischen 2000 und 2007 neun Menschen mit Migrationsgeschichte und eine Polizistin: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.
Über zehn Jahre hielten sowohl der NSU als auch die Ermittler:innen diese Verbrechen verdeckt, bis der NSU sich 2011 mit einem Video selbst enttarnte. Nach dessen Bekanntwerden vernichteten einige Verfassungsschutzmitarbeiter:innen relevante Akten und ranghohe Verfassungsschützer traten zurück. Statt der Verfolgung tatsächlicher Hinweise, nahmen die Ermittler:innen die Opferangehörigen teils jahrelang ins Fadenkreuz und unterstellten ihnen kriminelle Machenschaften. Die beispiellosen rechtsterroristischen Verbrechen des NSU, die Ermittlungen und der anschließende Prozess verdeutlichen nur zu gut den tief verankerten institutionellen Rassismus bei Polizei, Geheimdienst und in den Gerichtssälen. Die Opferangehörigen, Nebenklagevertreter:innen, Aktivist:innen und kritische Journalist:innen heben hervor, dass während des ganzen Prozesses nicht im rechtsextremen Milieu ermittelt wurde.
Zum Weiterlesen:
*Semiya Şimşek & Peter Schwarz (2013): Schmerzliche Heimat: Deutschland und der Mord an meinem Vater, Berlin: Rowohlt.
*Juliane Karakayali, Çagri Kahveci & Doris Deutsch Liebscher (Hrsg., 2017): Den NSU-Komplex analysieren. Aktuelle Perspektiven aus der Wissenschaft. Bielefeld: transcript.
*NSU Watch.
OK
Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze!
Richtig!
Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze!
Jahr:
Autor*inneninfo:
Helmut Schmidt (1918-2015) war SPD-Politiker und Bundeskanzler der BRD von 1974 bis 1982.
Quelle:
Die ZEIT, 05.02.1982.
Kontext:
Anfang der 1980er Jahre nimmt das Ausmaß der Debatten um Rückführung trotz Ende des fordistischen Arbeitsregimes zu. Aus der Politik, ob nun Regierungsparteien der Konservativen oder Oppositionsparteien der Sozialdemokratie, kommt ein gemeinsamer Tenor: Die Zahl der Migrant:innen soll reduziert und Rückführkampagnen durchgeführt werden. Was unberücksichtigt bleibt, sind die Zunahme rechter Gruppen und Hassverbrechen auf Migrant:innen im Schatten der rassistischen Überfremdungsdiskurse und Bevölkerugsideologien der großen Regierungsparteien. Aus den Opfern werden Täter konstruiert, weil „Deutschland“ überlastet würde. Diese ideologische Wende legitimiert nun den moralisch gesellschaftsfähigen Neorassismus im hochindustrialisierten und aufgeklärten Globalen Norden.
Zum Weiterlesen:
*Ceren Türkmen (2017): Gastarbeitsgeschichte zwischen Migrationsregime, Staat und kommunaler Befreiung. Methoden zur Wissensproduktion, Material & Machtkritik. In glokal e.V. (Hrsg.): Connecting the Dots. Lernen aus Geschichte(n) zu Unterdrückung und Widerstand. Berlin, S. 46.
OK
Wir Roma und Sinti sind die Blumen dieser Erde.
Man kann uns zertreten,
man kann uns aus der Erde reißen, man kann uns vergasen,
man kann uns verbrennen,
man kann uns erschlagen –
aber wie die Blumen kommen wir immer wieder (…).
Richtig!
Wir Roma und Sinti sind die Blumen dieser Erde.
Man kann uns zertreten,
man kann uns aus der Erde reißen, man kann uns vergasen,
man kann uns verbrennen,
man kann uns erschlagen –
aber wie die Blumen kommen wir immer wieder (…).
Jahr:
Autor*inneninfo:
Karl Stojka (1931 – 2003) war österreichischer Überlebender des Porajmos (Genozid an Romn:ja während des Nationalsozialismus). Nach seinem Überleben der Konzentrationslager wurde Karl Stojka Künstler und Autor.
Quelle:
Projekt Kulturelles Erbe. Tradition mit Zukunft (2007): Roma und Sinti. Vergangenheit und Gegenwart. HAK International Klagenfurt.
Kontext:
Trotz dieser langen Geschichte in Deutschland wurde immer wieder versucht Sint:ezza und Romn:ja über Jahrhunderte aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland auszuschließen, zu unterdrücken und zu deportieren. Auch heute noch trifft das angesichts der Abschiebung von Sint:ezza und Romn:ja in sogenannte europäische sichere Herkunftsstaaten zu. Trotz der erlebten Diskriminierung und Verfolgung organisierten sich Sint:ezza und Romn:ja und übten Widerstand aus. In Deutschland gibt es zahlreiche von Sint:ezza und Romn:ja selbstorganisierte Vereine und Verbände, die zu Empowerment, Rassismussensibilisierung, Dokumentation und politischer Partizipation arbeiten. Stojkas Vorfahren lebten seit schätzungsweise 300 Jahren im heutigen Österreich, bevor viele seiner Familienangehörigen, darunter auch sein Vater und Bruder, in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Stojka selbst überlebte Porajmos und begann später zu malen. In seinen Malereien drückte er die Verfolgung von Sint:ezza und Romn:ja aus.
Zum Weiterlesen:
*Gerald Grassl (Hrsg., 1992): Karl Stojka. Nach der Kindheit im KZ kamen die Bilder. Wien: VIDO.
OK
1500
to 1600
to 1700
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to 1925
to 1950
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to 1990
to 2000
to 2010
2011