Wann schrieb die französische Nationalversammlung: "1. Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im gemeinen Nutzen begründet sein"?
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, aus der das Zitat stammt, ist einer der Grundlagentexte der französischen Revolution. Die französische Revolution hatte das Motto Freiheit, Gleicheit, Brüderlichkeit. Sie schaffte die absolutistische Monarchie ab. Gleichzeitig hatte Frankreich Kolonien war somit auch Herrscher über Kolonisierte. Im 19. Jahrhundert waren die Französ:innen sogar die zweitgrößte Kolonialmacht weltweit. In diesen Gebieten galten weder Gleichheit noch unveräußerliche Menschenrechte.
Wann forderte man auf einer Versammlung von Generälen: „... Frankreich für immer zu entsagen und eher sterben, als unter deren Herrschaft zu leben und bis zu ihrem letzten Atemzug für die Unabhängigkeit zu kämpfen?“
Jean-Jacques Dessalines (1758-1806) war ehemals versklavt und wurde im Unabhängigkeitskampf Haitis zum Obersten General. Die haitianischen Anti-Sklaverei-Aktivist:innen kämpften seit 1791 für ihre Unabhängigkeit von Frankreich und gegen die weiße Elite der Insel, die sie 1804 gewannen. Ein Zusammenschluss europäischer Staaten und der USA Haiti boykottierte den neuen Staat, da ihr eigener Wohlstand auf der Plantagenwirtschaft und damit auf dem Prinzip der Sklaverei beruhte.
Wann wurde eine Verfassung geschrieben, in der festgelegt wird: „Eine gerechte und harmonische Gesellschaft auf der Grundlage der Entkolonialisierung ohne Diskriminierung oder Ausbeutung mit voller sozialer Gerechtigkeit zu schaffen“?
Die bolivianische Verfassung wurde nach der Wahl 2006 des ersten Präsidenten Boliviens mit indigenen Wurzeln, Evo Morales, ausgearbeitet. Auch nach dem formalen Ende der Kolonialherrschaft 1825 herrschen in Bolivien bis heute asymmetrische Machtbeziehungen in Bezug auf race, gender und Klasse vor. Es gibt jedoch jetzt ein (Vize-)Ministerium für Dekolonisierung (u.a. auch mit einer Direktorin für De-Patriachalisierung) und eine Einrichtung, um die indigene Mehrheit des Landes von 500 Jahren Kolonialherrschaft zu rehabilitieren.
Wann schrieb ein Politiker über eine Verfassung: „Nach dem Gesetz haben in den Streitigkeiten der Bürger alle ihr gleiches Teil, der Geltung nach aber hat im öffentlichen Wesen den Vorzug, wer sich irgendwie Ansehen erworben hat, nicht nach irgendeiner Zugehörigkeit, sondern nach seinem Verdienst“?
Perikles (ca. 495 – 429 v.u.Z.) war Athener Feldherr und Politiker. Die Athener Demokratie wird oft als Grundlage für die heutige westliche Demokratie gesehen. An einigen Abstimmungsprozessen nahmen ein erheblicher Teil der Bevölkerung teil. Allerdings waren Frauen und versklavte Menschen vom Stimmrecht ausgeschlossen. Perikles wird ebenfalls dieser Satz zugeschrieben: „Die beste Frau ist die, die am wenigsten spricht.“
Wann schrieb eine philippinische Widerstandskämpferin: „Wir wollten dauerhaften Frieden, wahre Demokratie und Gerechtigkeit. (...) Deshalb kehrten wir in die Berge zurück, um den Kampf für die Befreiung unseres Landes fortzusetzen“?
Remedios Gomez-Paraiso (1919-2014) war Kommandantin der antijapanischen Volksbefreiungsarmee Hukbalahap auf den Philippinen im Zweiten Weltkrieg. Hier über die „Befreiung“ und Wiederbesetzung der Philippinen durch die USA 1944. Die Philippinen waren ab 1571 eine spanische Kolonie, bis sie 1898 die Unabhängigkeit ausriefen. Danach wurden die Inseln eine US-amerikanische Kolonie bis sie 1942 von japanischen Truppen besetzt wurde. Die Antijapanische Volksbefreiungsarmee war die größte Widerstandsbewegung der Philippinen. 1946 erlangten die Philippinen zwar ihre Unabhängigkeit, es wurde aber eine US-freundliche Regierung installiert.
Wann sagte eine britische Regierungschefin: „ Jeder Mensch sollte Kapitalist sein und Eigentum besitzen. Denn das bringt der Gesellschaft Verantwortungsbewusstsein, wenn man Eigentum besitzt“?
Margaret Thatcher (1925-2013) war von 1979 bis 1990 britische Premierministerin der konservativen Tory-Partei. Thatcher wird als Symbol für die Abkehr Europas vom Sozialstaat und zur Hinwendung zur Eigenverantwortung und zum Neoliberalismus (Privatisierung, Deregulierung, Zerschlagung der Gewerkschaften) gesehen. Sie privatisierte viele öffentliche Unternehmen und schlug Proteste dagegen nieder. Gewerkschaften bezeichnete sie als „inneren Feind“ (zitiert nach Naomi Klein 2010: 195).
Wann sagte ein politischer Anführer in England: „England wird es nicht gut gehen (…) solange es Herren und Leibeigene gibt“?
John Ball (1335-1381) war eigentlich englischer Priester, wurde aber aus der Kirche ausgeschlossen. Er trat für soziale Gerechtigkeit ein und war der intellektuelle Anführer des englischen Bauernaufstands. Ball wurde in Anwesenheit von König Richard II hingerichtet (gehängt, ausgeweidet und viergeteilt). In ganz Europa gab es Widerstände gegen feudale Herrschaft und die Macht der Kirche. Auch in Ypres und Brügge gab es im Jahr 1324 Aufstände (Federici 2014: 41). In Bremen weigerten sich Bäuer:innen 1234, ihre Abgaben zu zahlen (ebd.: 34). In Florenz übernahmen Textilarbeiter:innen 1379 die Macht in der Stadt und errichteten drei Jahre eine Arbeiter:innenregierung (ebd.: 43).
Wann sagte ein US-Amerikaner über freie irakische Wahlen: „Ich bin nicht dagegen, aber ich möchte, dass dabei unsere Interessen gewahrt werden (…). Wenn Wahlen zu früh abgehalten werden, können sie viel zerstören“?
Paul Bremer (geb. 1941) war US-amerikanischer Zivilverwalter im Irak, der 2003 -2004 von der US-Regierung eingesetzt wurde. Die autoritäre Besatzungsstrategie der US-Amerikaner:innen im Irak führte nach Klein dazu, dass sich die Gewalt zwischen Religionsgruppen sowie gewaltsame Religionsinterpretationen verschärften. Mit ihrer Politik des „Regime Change“ (der Unterstützung von Militär- und anderen Putschen) unterschieden sich die USA stark von der klassischen Kolonialpolitik Großbritanniens.
Wann forderte der südafrikanische ANC: „Männer und Frauen aller Rassen sollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten“?
Freiheitscharta, die vom Afrikanischen Nationalkongress ANC erstellt wurde, indem 50.000 Freiwillige in den Townships sammelten, was für die Menschen wichtige Freiheitsforderungen seien. In Südafrika regierte während des Apartheidsregimes von Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1994 die weiße Minderheit über die Schwarze Mehrheit. 1912 gründete sich der ANC, der 1952-1954 zur Massenorganisation und zum größten Hort des Widerstands wurde. Nelson Mandela, ehemaliger ANC-Widerstandskämpfer, wurde 1994 erster Schwarzer Präsident.
Wann schrieb ein ehemaliger uruguayischer Guerillero: „Wir brauchen eine Strategie des Glücks, nicht der Opfer. Die Linke muss diese Strategie des Glücks spürbar, sichtbar verkörpern (…). Sie muss wegkommen von der spartanischen, der dem Leben abgewandten Einstellung“?
Luis Rosadilla (geb. 1953) war Guerillero bei den Tupamaro in Uruguay unter der Militärjunta (1973-1985) und unter Pepe Mujica, ebenfalls Ex-Guerillero, Verteidigungsminister. Herrschaft infrage zu stellen bedeutet auch, sich über Alternativen Gedanken zu machen. Das passiert oft mit kleinen Projekten, aber in in ganzen Regionen wie in Chiapas/Mexiko wo die autonom-basisdemokratischen Zapatist@s unter dem Motto leben: "Fragend schreiten wir voran." Der US-amerikanische Historiker Howard Zinn (2004) sagte: "Hoffnungvoll zu sein (...) ist keineswegs nur töricht romantisch!"