Antisemitismus20

Quote:

Der, welcher die Erde an ihre Stelle hängte, ist gehängt./ Der, welcher die Himmel befestigte, ist ans Kreuz befestigt./ Der, welcher alle Dinge fest machte, ist festgemacht am Holz./ Der Herr ist geschmäht, Gott ist ermordet./ Der König Israel ist erschlagen von israelitischer Hand.

Quelle:

Melitio von Sardes, Passa Homilie, zit. n. Karl-Erich Grözinger (1999): Die „Gottesmörder, in: Julius H. Schoeps/Joachim Schlör (Hg.), Bilder der Judenfeindschaft. Augsburg: Bechtermünz, S. 57.

Autor*inneninfo:

Türkei: Melitio von Sardes Melitio von Sardes (ca. 120-185) trat im 2. Jahrhundert als Bischof von Sardis in der heutigen Türkei in Erscheinung. Von der römisch-katholischen wie auch von orthodoxen Kirchen wird er als Heiliger verehrt. Seine zwischen den jahren 160 und 170 veröffentlichten Schriften über die Juden als Gottesmörder, gelten als gewichtige Quellen für die Ausbildung eines christlichen Antijudaismus. Melito betrachtete die Zerstörung des Tempels wie auch das Leiden der Juden in der Diaspora als Konsequenz und gerechte Strafe für ihren "Gottesmords".

Kontext:

Judenfeindlichkeit hat eine lange Tradition, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Doch erst mit der Verbindung von christlicher Theologie und Judenfeindschaft zum Antijudaismus fand sie Verbreitung über den gesamten christlich-abendländischen Raum. Seit dem Frühchristentum hatte sich ein negatives Judenbild etabliert, und die verschiedenen antijüdischen Mythen und Klischees, aus denen es sich speiste, prägten die Geisteshaltung und drangen tief in die Mentalität der europäischen Gesellschaften ein. Am Anfang der traditionellen Judenfeindschaft stand der konflikthafte Ablösungsprozess der frühen Christen*innen vom Judentum. Es war ein Konkurrenzkampf um den "wahren Glauben", um Anhängerschaft und um Anerkennung durch Rom. Hieraus entstand eine antijüdische Tradition, die teilweise an innerjüdische Streitigkeiten, wie auch im Neuen Testament gespiegelt, anknüpfen konnte. Das Selbstverständnis der Christen als "Verus Israel" ("Wahres Israel") im neuen Bund führte dazu, den Juden die Zugehörigkeit zum Gottesbund abzusprechen. Ihnen wurde vorgeworfen, Jesus als Messias verworfen, ihn verraten und gekreuzigt zu haben. Damit waren sie nach christlicher Anschauung nicht nur als Feinde des wahren Glaubens, sondern als Widersacher Jesu und des Christentums par excellence zu betrachten. Als Gottesmörder, so die Überzeugung in weiten Teilen der Alten Kirche, waren sie dazu verdammt, heimatlos in der Welt umherzuirren und durch ihre "elende Existenz" die Wahrheit des Christentums zu bezeugen. Diese theologisch-heilsgeschichtlich begründete Auffassung vom Judentum und von der jüdischen Existenz in der Diaspora ging als fester Bestandteil der kirchlichen Glaubenslehre in das christlich-abendländische Denken ein.

Zum Weiterlesen:

Jahr:

150