Quote:
Die Verletzung der Menschenrechte, das System institutionalisierter Brutalität, die drastische Kontrolle und Unterdrückung jeglicher Form von Opposition werden als ein Phänomen diskutiert (und oft verdammt), das rein gar nichts oder höchstens indirekt mit der klassischen ungezügelten ‚freien Marktwirtschaft‘ zu tun hat (…). Diese besonders bequeme Konsequenz eines sozialen Systems, in dem ‚wirtschaftliche Freiheit‘ und politischer Terror ohne Berührungspunkte nebeneinander existieren, erlaubt es den Finanzexperten, für ihren Begriff von ‚Freiheit‘ zu werben.
Quelle:
Naomi Klein (2010: 137)
Autor*inneninfo:
Orlando Letelier (1932-1976) war Botschafter Chiles unter Präsident Salvador Allende. Er wurde 1976 bei einem Autobombenanschlag unter General Pinochet ermordet.
Kontext:
In den 1970er Jahren wurden in Lateinamerika (z.B. Chile), Asien (z.B. Indonesien) und Afrika (z.B. Kongo) viele sozialistische Regierungen mit Unterstützung westlicher Geheimdienste gestürzt und durch Diktaturen ersetzt. Den Ländern wurde so klargemacht, dass wenn sie wagten, einen alternativen ‚dritten‘ Weg zu gehen, sie dafür mit staatlichem Terror zu bezahlen hätten (vgl. Klein 2010: 159). Die Diktatur in Chile war für viele ein Versuchslabor des Neoliberalismus. Für Letelier war der neoliberale Ökonom Milton Friedman für Diktator Pinochets Verbrechen mitverantwortlich. Westliche Firmen profitierten direkt von dem Militärregime Pinochets. Ford hatte auf dem Fabrikgelände Internierungslager für aufsässige Arbeiter:innen (vgl. Klein 2010: 155). Claudia Acuña, eine Journalistin, die die Diktatur im Nachbarland Argentinien erlebte, betont, wie schwierig es war, zu erkennen, das Gewalt nur ein Mittel und nicht das Ziel war: Ziel war, eine neue Wirtschaftsordnung durchzusetzen. Dies gelang: „Wir konnten die geheimen Folterzentren zerstören, aber nicht das Wirtschaftssystem, das das Militär begonnen hatte“ (zitiert nach Klein 2010: 178).
Zum Weiterlesen:
*Orlando Letelier (1976): The Chicago Boys in Chile: Economic Freedom’s Awful Toll. In: The Nation 223, Nr. 28, S. 137-142.
*Naomi Klein (2010): Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Frankfurt a.M.: Fischer.
Jahr:
1976